Auf dem Weg zu mehr Freiheit - Regina Nussbaum | artlounge köln
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Auf dem Weg zu mehr Freiheit

Künstlerin Regina Nußbaum zeigt in der Kunsthalle Lindenthal, wie „Weibliche Wege“ aussehen

von Jürgen Kisters in
Kölner Stadt-Anzeiger, Donnerstag, 5. August 2010

Lindenthal. Ungeachtet aller Entwicklungen zur Gleichberechtigung der Geschlechter gibt es immer noch „weibliche“ und „männliche“ Wege. Frauen gehen die Dinge anderes an als Männer, und Männer anders als Frauen. Zumindest ist das die Ausstellungsthese der Ausstellung „Weibliche Wege“ in der Kunsthalle Lindenthal im Bezirksrathaus Lindenthal. Künstlerin Regina Nußbaum hat den großen Raum mit dem rohen Betonfußboden in eine Strecke aus dutzenden Gegenständen verwandelt, die auf einem langen Tisch zu den Gewöhnlichkeiten und zu den Besonderheiten des Lebens führen. Handtaschen, die Packung Deo-Frische, Schuhe, Blumen in Vasen, die Froschskulptur aus dem Garten, Nylonstrümpfe, ein Buddha-Kopf, Schals, Fotos und das gelbe Spielzeug-Entlein bringen allerhand weibliche Realitäten und Sehnsüchte in den Blick und lassen die Erfahrungen des Alltags zu Fantasien des Alltags werden.
Hinzu kommt eine Vielzahl ausgelegter Bücher zum Thema Weiblichkeit. Schon die Titel, wie „Der Tanz der großen Mutter“ und „Frida Kahlo“, lassen erahnen, wie komplex und kompliziert das Thema der weiblichen Erfahrung und des weiblichen Weges ist. „Weibliche Wege sind so individuell wie unsere Fingerabdrücke. Dennoch gibt es Gemeinsamkeiten in den weiblichen Leben. Frauen sind seit Generationen auf dem Weg zu mehr Freiheit, Gleichberechtigung, Respekt und Selbstverwirklichung. Viele sind auch unterwegs zu mehr Selbstliebe. Die Veränderung vollzieht sich von innen nach außen. In meinen Bildern und Skulpturen berichte ich von Stationen meines Weges“, erklärt Regina Nußbaum.

Einige Gegenstände verweisen auf Ereignisse, die speziell das Leben der Künstlerin prägten. Andere sind mit Erfahrungen und Erinnerungen verknüpft, die im Leben vieler, vielleicht der meisten Frauen eine Rolle spielen. Viele Gegenstände dokumentieren vor allem, andere sind symbolisch aufgeladen. So wird die rote Feder mit dem Thema „Vergebung“ verknüpft. Und die Schuhe mit dem hohen Absatz stehen für die grundsätzlich schwierige Balance zwischen Schönheit und einem erdverbundenen, sicheren Gang. Dinge wie der Beutel voller Murmeln und der kleine Kinderkoffer schlagen den direkten Bezug zur Vergangenheit, zur Kindheit. Sie werfen zugleich die Frage auf, ob und wie der „weibliche Weg“ sich im Laufe der Zeit verändert hat, im Laufe der Jahrhunderte, im Laufe der vergangenen Jahrzehnte.

Flankiert wird der lange, schwierige Weg durch die Gegenstände von einer Vielzahl malerischer Werke an den Wänden. Sie zeigen ausnahmslos abstrakt-expressive Szenerien, die den Raum öffnen und in der Fantasie die Möglichkeiten unendlich erscheinen lassen. In ihrer Dynamik sind es Bilder der Befreiung und der Freiheit, Bilder von turbolenter Aufregung und von hoher Empfindsamkeit. Die ganze Zeit über wissen die Besucher nicht genau, ob sie in dieser Ausstellung den „weiblichen Weg“ der Künstlerin verstehen oder sich mit ihrem eigenen Lebensweg beschäftigen sollen. Beides fließt ineinander. Denn das Kunstkonzept, das Nußbaum vorstellt, hat mit Selbsterfahrung zu tun.

Die Kunst ist darin das Medium der Selbsterkenntnis und der Selbstbehandlung. Dieser Weg bietet für jeden andere Varianten. Und selbstverständlich taucht auch die Frage auf, wie der andere, der „männliche Weg“ denn aussehen würde. Welche Alltagsgegenstände dabei eine Rolle spielen würden. Und ob für die meisten Männer dieser künstlerische Weg der Beschäftigung mit sich selbst noch immer in weiter Ferne liegt. Regina Nußbaum betreibt im Übrigen seit Jahren in Ehrenfeld einen kleinen Kunstraum, die art lounge“.

Kunsthalle im Bezirksrathaus Lindenthal, Aachener Straße 220, Sa, So 15-18 Uhr, bis 8. August 2010.

Foto: Regina Nußbaum